Ver­zich­tet ein Kind (z. B. der Sohn) zivil­recht­lich wirk­sam gegen­über einem Eltern­teil (z. B. dem Vater) auf sei­nen gesetz­li­chen Erb­teil, dann hat die­ser Ver­zicht für die Erb­schaft­steu­er nicht zur Fol­ge, dass beim Ver­ster­ben des Eltern­teils (d.h. des Vaters) die Enkel des Erb­las­sers den Frei­be­trag in Höhe von 400.000 € erhal­ten. Viel­mehr erhält der Enkel nur einen Frei­be­trag in Höhe von 200.000 €. Der Ver­zicht auf den gesetz­li­chen Erb­teil eines Abkömm­lings schei­det somit als „Steu­er­spar­mo­dell“ für die Enkel des Erb­las­sers aus.

Pra­xis-Bei­spiel:
Der Vater des Klä­gers hat­te gegen­über sei­nem eige­nen Vater – dem Groß­va­ter des Klä­gers – ver­trag­lich auf sein gesetz­li­ches Erbrecht ver­zich­tet. Zivil­recht­lich galt der Vater des­halb als ver­stor­ben und hat­te auch kei­nen Anspruch auf einen Pflicht­teil. Als der Groß­va­ter ver­starb, wur­de der Klä­ger, also sein Enkel, gesetz­li­cher Erbe. Er bean­trag­te des­halb beim Finanz­amt, ihm für die Erb­schaft einen Frei­be­trag in Höhe von 400.000 € zu gewäh­ren. Dabei han­delt es sich um den Frei­be­trag, der ihm als Enkel zu gewäh­ren wäre, wenn sein Vater tat­säch­lich vor­ver­stor­ben wäre. Das Finanz­amt gewähr­te dem Klä­ger aber nur einen Frei­be­trag in Höhe von 200.000 € (= Frei­be­trag, der ihm als Enkel nach sei­nem ver­stor­be­nen Groß­va­ter zustand, da sein eige­ner Vater zwar auf sei­nen gesetz­li­chen Erb­teil ver­zich­tet hat­te, aber bei Tod des Groß­va­ters noch am Leben war).

Die Kla­ge vor dem Finanz­ge­richt hat­te kei­nen Erfolg. Der BFH schloss sich die­ser Auf­fas­sung an und wies die Revi­si­on des Klä­gers als unbe­grün­det zurück, weil der Wort­laut des § 16 Abs. 1 Nr. 2 Alter­na­ti­ve 2 ErbStG ein­deu­tig ist, sodass der höhe­re Frei­be­trag von 400.000 € nur unter den dort genann­ten Umstän­den gewährt wer­den kann. Den höhe­ren Frei­be­trag kön­nen nur „Kin­der ver­stor­be­ner Kin­der“ erhal­ten. Kin­der, die ledig­lich als ver­stor­ben gel­ten, wer­den nicht auf­ge­führt. Die erb­schaft­steu­er­li­chen Frei­be­trags­re­ge­lun­gen wol­len die Abkömm­lin­ge der ers­ten Gene­ra­ti­on (Kin­der) begüns­ti­gen. Bei den Enkeln hat der Gesetz­ge­ber die fami­liä­re Ver­bun­den­heit nicht als so eng ange­se­hen und gibt ihnen einen gerin­ge­ren Frei­be­trag von 200.000 €. 

Ledig­lich wenn die eige­ne Eltern­ge­nera­ti­on vor­ver­stor­ben ist, sieht der Gesetz­ge­ber die Groß­el­tern für das Aus­kom­men der „ver­wais­ten Enkel“ in der Pflicht und gewährt ihnen den höhe­ren Frei­be­trag von 400.000 €. Eine Aus­deh­nung des höhe­ren Frei­be­trags auf Kin­der, die nur als ver­stor­ben ange­se­hen wer­den, die aber tat­säch­lich bei Tod des Groß­el­tern­teils noch leben, hat der Gesetz­ge­ber nicht gewollt. Die Ver­güns­ti­gung ist nicht gebo­ten, wenn der Abkömm­ling des Erb­las­sers noch lebt und wei­ter­hin für die finan­zi­el­le Aus­stat­tung sei­nes Kin­des, das heißt des Enkels des Erb­las­sers, sor­gen kann. Außer­dem kann das von der gesetz­li­chen Erb­fol­ge aus­ge­schlos­se­ne Kind wei­ter­hin bei Tod sei­nes Eltern­teils tes­ta­men­ta­risch erben und dann sei­nen eige­nen Frei­be­trag als Kind in Höhe von 400.000 € in Anspruch neh­men. Wür­de gleich­zei­tig dem Enkel auch der höhe­re Frei­be­trag gewährt, wäre das eine ille­ga­le Steu­er­um­ge­hungs­mög­lich­keit in Gestalt einer Dop­pel­be­güns­ti­gung, die von Geset­zes wegen nicht gewollt ist. Daher ist die Norm auch verfassungsgemäß.

Fazit: Der Ver­zicht auf eine Erb­schaft ist in die­ser Situa­ti­on steu­er­lich nicht sinnvoll.

Quelle:BFH | Urteil | II R 13/22 | 30-07-2023