Der BFH hat­te über die Fra­ge zu ent­schei­den, ob und inwie­weit die Finanz­be­hör­de Kennt­nis von den wesent­li­chen Tat­sa­chen hat­te, die für die Beur­tei­lung einer mög­li­chen Steu­er­hin­ter­zie­hung durch Unter­las­sen maß­ge­bend ist. Davon hängt ab, für wel­chen zurück­lie­gen­den Zeit­raum die Steu­er­fest­set­zung nach­ge­holt wer­den kann.

Pra­xis-Bei­spiel:
Die Ehe­leu­te sind bei­de Arbeit­neh­mer mit der Steu­er­klas­sen­kom­bi­na­ti­on III und V. Da es bei die­ser Kom­bi­na­ti­on zu Nach­zah­lun­gen kom­men kann, besteht eine Ver­pflich­tung jähr­li­che Ein­kom­men­steu­er­erklä­run­gen abzu­ge­ben. Der Kern der Strei­tig­keit lag in der Fra­ge, ob die Finanz­be­hör­de durch den Zugang zu elek­tro­ni­schen Daten der Steu­er­pflich­ti­gen auto­ma­tisch als infor­miert ange­se­hen wer­den konnte.

Der BFH hat ent­schie­den, dass Daten zum Arbeits­lohn, die elek­tro­nisch an das Finanz­amt über­mit­telt, aber nicht auto­ma­tisch in die Papier- oder elek­tro­ni­sche Akte des Steu­er­pflicht­gen über­nom­men wur­den, bei der Finanz­be­hör­de nicht als "bekannt" im Sin­ne des § 370 AO gel­ten. Nach Ansicht des BFH erlangt die Finanz­be­hör­de erst dann Kennt­nis von die­sen Daten, wenn die­se expli­zit von den zustän­di­gen Sach­be­ar­bei­tern ein­ge­se­hen wur­den. Da die betref­fen­den Daten in die­sem Fall nur in einem elek­tro­ni­schen Spei­cher abruf­bar waren und nicht aktiv durch die zustän­di­gen Beam­ten ein­ge­se­hen wur­den, konn­te nicht davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Finanz­be­hör­de voll­stän­dig dar­über infor­miert war.

Der BFH hat das anders lau­ten­de Urteil des Finanz­ge­richts auf­ge­ho­ben und der Fall wur­de zur wei­te­ren Ver­hand­lung und Beur­tei­lung an das Finanz­ge­richt zurück­ver­wie­sen. Das Finanz­ge­richt muss nun prü­fen, ob eine vor­sätz­li­che Steu­er­hin­ter­zie­hung oder eine leicht­fer­ti­ge Steu­er­ver­kür­zung vor­lag. Davon hängt die Dau­er der gesetz­li­chen Ver­jäh­rungs­fris­ten ab. Grund­sätz­lich gilt, dass die Fest­set­zungs­frist mit Ablauf des Kalen­der­jah­res beginnt, in dem die Steu­er ent­stan­den ist. Ist eine Steu­er­erklä­rung ein­zu­rei­chen, beginnt die Fest­set­zungs­frist erst mit Ablauf des Kalen­der­jah­res, in dem die Steu­er­erklä­rung ein­ge­reicht wird, spä­tes­tens jedoch mit Ablauf des drit­ten Kalen­der­jah­res, das auf das Kalen­der­jahr folgt, in dem die Steu­er ent­stan­den ist. 

Die Fest­set­zungs­frist beträgt für die Ein­kom­men­steu­er grund­sätz­lich vier Jah­re. Sie beträgt zehn Jah­re, soweit eine Steu­er hin­ter­zo­gen, und fünf Jah­re, soweit eine Steu­er leicht­fer­tig ver­kürzt wor­den ist. Kon­se­quenz: Vom Ablauf der Fest­set­zungs­frist hängt somit ab, für wel­che Jah­re nach­träg­lich ein Steu­er­be­scheid erlas­sen wer­den kann.

Quelle:BFH | Urteil | VI R 14/22 | 13-05-2025